Wo die Götter wohnen: Unterwegs im Himalaya
Wer im Himalaya-Staat Nepal wandern geht, wird mit Eindrücken beschenkt, die er sein Leben lang nicht mehr vergisst. Ein Erfahrungsbericht:
Das Herz schlägt, der Schweiß tropft, der Atem rast – und Shyam, unser Guide, grinst irgendwie schadenfroh. Genau 3318 steinerne Treppenstufen liegen an diesem Tag noch vor mir, und ich bin jetzt schon ziemlich am Ende meiner Kräfte. Wieso habe ich mich nur zu diesem Trip überreden lassen? denke ich. Doch nun ist es zu spät. Eine gute Woche bin ich mit einer kleinen Wander-Gruppe in Nepal unterwegs, genauer: im Annapurna-Massiv nördlich von Pokhara.
Gleich mehrere schneebedeckte Himalaya-Giganten strecken sich hier dem Himmel entgegen, darunter die 8091 Meter hohe Annapurna – der erste Achttausender, der 1950 bestiegen wurde. Zu Füßen der Kolosse erstreckt sich eine tiefgrüne Landschaft mit sprudelnden Bächen, stillen, geheimnisvollen Rhododendron-Wäldern und Bergdörfern, in denen bunte Gebetsfahnen wehen. Kein Motorengeräusch stört hier die Ruhe. Es gibt keine Straßen, keine Autos, keine Lastwagen. Alle Waren werden noch von Eseln über uralte Bergpfade transportiert. Einfache Teestuben und Gasthäuser säumen den Weg. Ein Landstrich zum Innehalten, zum Träumen und zum Staunen.
Die Annapurna-Region ist bei Trekkern sehr beliebt
Neben der Gegend rund um den Mount Everest (8848 m) im Nordosten des Landes gehört die Annapurna-Region zweifellos zu den schönstenTrekking- und Wandergebieten Nepals. Unzählige Trekkingrouten warten hier darauf, entdeckt zu werden. Zu den schönsten, aber auch anspruchsvollsten Wegen gehört der sogenannte Annapurna Circuit. Er führt Sie in gut drei Wochen einmal ganz rund um die Gebirgskette. Die größte Herausforderung und im wahrsten Sinne des Wortes Höhepunkt dieser Tour ist der Aufstieg zum Thorung-La-Pass auf 5416 m Höhe. Da wird die Luft zum Atmen schon richtig dünn.
Unsere Gruppe hat sich bewusst für eine weniger anstrengende Wanderung entschieden, eine sechstägige Rundtour ab Birethanti (1025 m) mit dem Aussichtsberg Poon Hill (3193) als höchstem Punkt und wichtigstem Etappenziel. „Himalaya light“ sozusagen. Aber auch nicht ohne – zumindest für einen so untrainierten Menschen wie mich. Besonders die ersten beiden Tage auf dieser Wanderung haben es in sich. Unerbittlich geht es nur bergauf, stundenlang, ohne Ausnahme. Der Weg ist nicht schwierig, aber das ist nur ein schwacher Trost. Besonders die schon erwähnte Passage mit den über 3000 Steinstufen hat es in sich.
Alle 100 Stufen eine Pause
Um irgendwie durchzuhalten, teile ich mir die Strecke in Portionen auf, mache immer nach 100 Stufen eine Pause. Zum Glück trägt Chhiring, ein junger Sherpa, mein Gepäck – ohne seine Hilfe müsste ich kapitulieren. Chhiring bleibt auch bei mir, wenn ich wieder mal stehen bleiben und nach Luft ringen muss. Dann sehe ich, dass er kaum schwitzt und offenbar überhaupt nicht ausgelastet ist. Das sind die Momente, wo ich mir vornehme, wieder mehr Sport zu treiben und jede Zigarette verfluche, die ich jemals geraucht habe.
Sonnenaufgang am Poon Hill:
Ein Akt der Schöpfung
Gemeinsam mit Hunderten anderer Menschen erleben wir dort, wie die Sonne die Schwärze der Nacht durchbricht und ihre ersten rötlich-gelben Strahlen auf die Spitzen der Eisgiganten richtet, die eben noch im Dunkeln verborgen waren. Ein Akt der Schöpfung. Spontaner Applaus brandet auf, es wird gejubelt und gelacht, so als ob gerade ein berühmter Opernstar hinter dem Vorhang hervorgetreten wäre und die Bühne betreten hätte. Ein magischer Moment, der uns tief anrührt. Auch wenn noch drei Tage Wanderung vor uns liegen: Das hier ist nicht mehr zu toppen. Wir verstehen jetzt, warum der Himalaya für die Einheimischen der Sitz der Götter ist.
5 Praktische Reise-Tipps:
- Anreise ins Wandergebiet: Pokhara, das Tor zur Annapurna-Region, liegt in der Mitte Nepals, rund 200 km von Kathmandu entfernt. Zwischen der Hauptstadt des Landes und der Stadt am idyllischen Phewa-See verkehren regelmäßig Busse. Wegen der schlechten Straßenverhältnisse muss man für die Fahrt allerdings rund sieben Stunden einplanen. Schneller geht’s mit dem Flieger (ca. 30 Minuten, buchbar z.B. bei www.buddhaair.com)
- Beste Wanderzeit: Die beliebteste Wanderzeit ist der Herbst (Anfang Oktober bis Anfang Dezember). Auf den Hauptrouten herrscht dann jedoch oft Hochbetrieb. Wenn Sie es ruhiger mögen, sollten Sie Ihre Trekkingtour für den Frühling planen (Februar bis April). Dann blühen auch die farbenprächtigen Rhododendren.
- Übernachten: Die Annapurna-Region ist touristisch sehr gut ausgebaut und lebt überwiegend vom Tourismus. Deshalb findet man entlang der Wege auch viele kleine Gästehäuser, Lodges genannt. Großen Komfort dürfen Sie dort nicht erwarten. Im Gegenteil: Nackter Betonfußboden, Duschen mit kaltem Wasser und übel riechende Stehtoiletten sind vielerorts die Regel. Auch mit Stromausfall müssen Sie immer wieder rechnen. Die Einfachheit kann aber auch ihre schönen Seiten haben, etwa dann, wenn man abends mit anderen Gästen vor einem qualmenden Feuerofen sitzt und Erinnerungen austauscht.
- Träger: Sie brauchen sich nicht zu schämen, wenn Sie über Ihre Reiseagentur einen Träger engagieren, der während der Wanderung Ihr Gepäck transportiert. Im Gegenteil: Sie sichern damit Arbeitsplätze und einen traditionellen Beruf.
- Kleidung: Ihre Kleidung sollte leicht, flexibel einsetzbar und atmungsaktiv sein. Und denken Sie daran: Im Hochgebirge kann es abends und nachts sehr kalt werden. Auch die Mitnahme eines eigenen Schlafsacks ist zu empfehlen. Die meisten Lodges stellen zwar mittlerweile Decken und Bettzeug zur Verfügung. Aber zum einen weiß man nicht, wer darunter schon alles geschlafen hat, und zum anderen bieten sie womöglich zu wenig Schutz vor der Kälte.
- Mehr Infos: www.himalaya-info.org; www.welcomenepal.com; www.freunde-nepals.de; www.boerger-tours.de; www.dav-summit-club.de