Geheimnisvolle Ruinen, Wälle und Gräber
Felsen und Steinbrüche, Kirchen und Berge, alte Bäume, Grotten und Seen – im nordrhein-westfälischen Sauerland sind kürzlich 43 Orte zu Seelenorten erklärt worden. Warum? Weil sie für uns Menschen eine besondere Bedeutung besitzen. Weil sie mit uns in Resonanz gehen, uns anrühren und etwas in unserem Inneren zum Klingen bringen.
Einer dieser Seelenorte ist der Borberg, gelegen zwischen Olsberg und Brilon im Hochsauerland. Seinen 670 Meter hohen, locker bewaldeten Gipfel habe ich in meiner Jugend oft bestiegen. Seitdem hat der Berg am Rothaarsteig einen festen Platz in meinem Herzen. Immer wieder taucht er in meinen Erinnerungen auf und führt mich zurück in eine Zeit, als das Leben noch mehr Zukunft als Vergangenheit hatte. Und vor allem: mehr Gegenwart.
Ein eigentümlicher Naturraum
Der Borberg hat keinen klassischen Gipfel. An seiner höchsten Stelle breitet sich eine Art Hoch-Plateau aus. Ein eigentümlicher Naturraum – still, friedvoll und Schutz verheißend. Er muss die Menschen schon immer in seinen Bann gezogen haben.
Davon zeugen noch die Reste einer frühmittelalterlichen Wallburg, die Ruine einer Klosterkirche aus dem 12. Jahrhundert und alte, geheimnisvolle Grabstätten.
Das Herz des Borbergs bildet seit gut hundert Jahren eine Marienkapelle, auch Friedenskapelle genannt.
Das 1923 errichtete Wallfahrtskirchlein war 1931 Schauplatz eines großen internationalen Friedenstreffens pazifistisch gesinnter Katholiken – 16 Monate vor der Machtergreifung Hitlers und dem Beginn der NS-Tyrannei. Eine damals gepflanzte Friedenseiche und eine Gedenktafel an der Kapelle erinnern noch an dieses Ereignis.
Über einen alten Kreuzweg auf den Borberg
Zwei Hauptwege führen auf den Borberg: Der eine startet am Wanderparkplatz Hilbringse auf Briloner, der andere „An der roten Brücke“ auf Olsberger Seite. Die schönere, aber auch anstrengendere Variante ist die von Olsberg aus. Die etwa einstündige Route folgt einem alten, steilen Kreuzweg, auch Glockenpfad genannt. Vierzehn Stationen erzählen hier in einfachen Worten und Bildern vom Leiden Jesu.
Wenn ich an diesen Weg denke, kommt mir sofort meine Zeit in der Katholischen jungen Gemeinde (KjG) in den Sinn. Unter uns jungen Christen war es damals Brauch, die Nacht von Gründonnerstag auf Karfreitag durchzuwachen und dann frühmorgens – den Kreuzweg betend – zum Borberg aufzubrechen. Als wir uns aufmachten, war es noch dunkel und kühl und still. Nie erlebt man die Natur intensiver als in solchen Momenten.
Gern sind wir als junge Menschen auch am 1. Mai oder zu Pfingsten auf den Borberg gewandert. An diesen Tagen wurde immer ein Gottestdienst vor der Marienkapelle gefeiert. Auch heute ist das noch so: Die Gläubigen sitzen im Freien auf Holzbänken, überwölbt von den Ästen der Bäume und der Weite des Himmels. Anschließend werden Bratwürstchen gegrillt und Bier ausgeschenkt.
In meiner Erinnerung waren dies immer irgendwie Tage des Aufbruchs und der Lebensfreude. Vielleicht, weil dann endlich der Winter vorbei war und der Frühling Einzug ins Land hielt: mit warmen Winden, ergrünenden Bäumen und dem goldenen Licht der noch jungen Sonne. Dazu die Freunde, die Waldluft und die Verheißungen der Jugend, der erste Rausch, das erste Verliebtsein, die Nähe zu Gott und zur Natur, die Freude an der körperlichen Bewegung – am Schwitzen, am Atmen, am In-die-Ferne-Schauen.
Inzwischen ist das Leben kürzer geworden, die Gegenwart schmaler. Viele Jahre sind ins Land gegangen, seitdem ich zum ersten Mal auf den Borberg gestiegen bin. Der Berg aber ist für mich geblieben, war er immer war: mein ganz persönlicher Seelenort.
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Tipp: Zum Einkehren nach einer Wanderung auf den Borberg bietet sich die Hiebammen Hütte an.